Zwei Leibniz-Preise für Göttinger Forscherinnen
Gleich zweimal geht der Leibniz-Preis nach Göttingen: Die Zellbiologin Melanie Schuh und der Rechts- und Politikwissenschaftlerin Ayelet Shachar erhalten den mit 2,5 Millionen dotierten Preis im nächsten Jahr.

Melina Schuh wird für ihre grundlegenden Forschungen zur Fortpflanzungsbiologie mit dem Leibniz-Preis 2019 ausgezeichnet. Darin beschäftigte sie sich vor allem mit der Reifeteilung von Eizellen, der Meiose. Dieser Prozess bildet die Grundlage für die sexuelle Vermehrung von höheren Organismen. Die Erforschung der grundlegenden Mechanismen der Ei-Entwicklung in Säugetieren ist kompliziert, da Eizellen nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen und sie sich je nach Spezies unterschiedlich entwickeln. Melina Schuh konnte jedoch zeigen, dass sich humane Eizellen deutlich von Mäuse-Eizellen unterscheiden und die Arbeit mit Mausmodellen deshalb nur bedingt Erkenntnisse zur menschlichen Fruchtbarkeit und Reproduktion liefert. Sie entwickelte zudem eine Vorgehensweise, um die Chromosomensegregation in einzelnen menschlichen Eizellen durch bildgebende Verfahren zu verfolgen. Auf diese Weise konnte sie auch die fehlerhafte Segregation eingehender untersuchen, die unter anderem zur Trisomie 21 führen kann. Um einzelne Proteine in Eizellen gezielt ausschalten und so ihre molekularen Funktionen bei der Reifeteilung aufklären zu können, entwickelte Schuh ein Verfahren zur gezielten Manipulation der Gen-Ausprägung, die sie live im Mikroskop beobachten konnte. Mit diesem Verfahren sollen in Zukunft neue Ansätze für die Behandlung von Fruchtbarkeitsverlusten und Erbkrankheiten beim Menschen entwickelt werden.
Nach dem Studium der Biochemie in Bayreuth wurde Melina Schuh 2008 am Europäischen Molekularbiologie Laboratorium (EMBL) in Heidelberg promoviert. Im Anschluss wechselte sie als Gruppenleiterin an das MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, an dem sie zuletzt als Programme Leader tätig war. 2016 wurde Schuh als Direktorin der Abteilung Meiose an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen berufen.
Die multidisziplinären Arbeiten von Ayelet Shachar zu Staatsbürgerschaft und rechtlichen Rahmenbedingungen in multikulturellen Gesellschaften haben sie zu einer der führenden Expertinnen auf diesem Gebiet werden lassen, als die sie nun den Leibniz-Preis 2019 erhält. Bereits mit ihrem ersten, 2001 erschienenen Buch „Multicultural Jurisdictions: Cultural Differences and Women’s Rights“ erzielte Shachar weltweit Resonanz. Darin untersuchte sie den Status von Frauen in religiösen Minderheiten und analysierte die Spannungen zwischen Traditionen, religiöser Diversität und der allgemeinen Norm der Geschlechtergleichheit. In ihrem zweiten Buch „The Birthright Lottery: Citizenship and Global Inequality“ (2009) beschäftigte Shachar sich mit Fragen der Gerechtigkeit, die sich daraus ergeben, dass Staatsbürgerschaft typischerweise nicht aufgrund eigener Verdienste, sondern zufällig erworben wird. Sie forderte, dass diejenigen, die in der „Staatsbürgerlotterie“ größere Gewinne erzielt haben, die Ungleichheiten in der weltweiten Verteilung von Chancen abmildern, etwa in Form transnationaler Verpflichtungen von wohlhabenden gegenüber ärmeren Staaten. In jüngster Zeit widmete Shachar sich dem Phänomen der „shifting borders“, also der Lösung nationalstaatlicher Grenzregimes von einem klar definierten Territorium hin zu flexiblen und variablen Zonen und Orten, in denen intensivere Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen erlaubt sind.
Ayelet Shachar studierte Politik und Rechtswissenschaften an der Universität Tel Aviv. Ihren Doktortitel erwarb sie 1997 an der Yale Law School in den USA, um danach an der Universität Toronto, Kanada, in verschiedenen Positionen ihrer Lehrtätigkeit nachzugehen. 2007 wurde sie von der Universität Toronto auf den Canada Research Chair in Citizenship and Multiculturalism berufen. Seit 2015 ist Shachar Direktorin am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen.
Leibniz-Preis
Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis wird seit 1986 jährlich von der DFG verliehen. Pro Jahr können bis zu zehn Preise mit einer Preissumme von jeweils 2,5 Millionen Euro verliehen werden. Mit den zehn Preisen für 2019 sind bislang insgesamt 368 Leibniz-Preise vergeben worden. Davon gingen 120 in die Naturwissenschaften, 106 in die Lebenswissenschaften, 85 in die Geistes- und Sozialwissenschaften und 57 in die Ingenieurwissenschaften. Da Preis und Preisgeld in Ausnahmefällen geteilt werden können, ist die Zahl der Ausgezeichneten höher als die der Preise. Insgesamt haben bislang 395 Nominierte den Preis erhalten, darunter 339 Wissenschaftler und 56 Wissenschaftlerinnen.
(Eine Pressemitteilung der DFG / Auszug)